Ermüdungsverhalten Vollkeramik: Lithiumdisilikat vs. 5Y-TZP-Zirkonoxid

Vollkeramik

Vollkeramik gehört heute zum zahnmedizinischen Standard. Doch welches Material bietet die bessere Langzeitstabilität? Eine aktuelle Studie der Universitäten Bern, München und Istanbul hat das Ermüdungsverhalten von fünf Lithiumdisilikat-Keramiken im Vergleich zu transluzenten 5Y-TZP-Zirkonoxid untersucht. Die Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse für die tägliche Materialauswahl in Praxis und Labor. (© Bild: ZTM Stefan Roozen)

In der Vollkeramik spielt für den klinischen Erfolg die Wahl des Werkstoffes eine große Rolle. Die Eigenschaften der jeweils verwendeten Vollkeramik sind dabei von zentraler Bedeutung. Besonders Lithiumdisilikat-Keramiken haben sich aufgrund ihrer hervorragenden ästhetischen und mechanischen Eigenschaften als beliebte Option etabliert. Diese Keramiken zeichnen sich durch ihre hohe Transluzenz und Opaleszenz aus, was sie ideal für ästhetische Restaurationen, insbesondere im sichtbaren Frontzahnbereich, macht.

Im Gegensatz dazu wird Zirkonoxid eine hohe mechanische Stabilität zugeschrieben. Die Zirkonoxidkeramik 5Y-TZP gilt als eines der transluzentesten Zirkonoxide, hat jedoch im Vergleich zu anderen Zirkonoxidmodifikationen geringere mechanische Eigenschaften und ist daher nicht für Brücken im Seitenzahnbereich freigegeben.

Eine aktuelle internationale Studie der Universität Bern, der LMU München und der Biruni Universität Istanbul hat das Ermüdungsverhalten fünf gepresster Lithiumdisilikat-Keramiken mit einer 5Y-TZP-Zirkonoxidkeramik verglichen, um herauszufinden, wie sich diese Materialien unter dynamischen Belastungen verhalten.

Die oberflächlichen Mikrodefekte können sich negativ auf die Gesamtstabilität auswirken und müssen daher durch die richtige Wahl der Parameter (Strahlmittel, Strahldruck, Abstand und Winkel) unbedingt vermieden werden.

Die Untersuchung

In der umfassenden Untersuchung wurden insgesamt 324 barförmige Prüfkörper aus fünf verschiedenen gepressten Lithiumdisilikat-Keramiken sowie einer 5Y-TZP-Zirkonoxidkeramik hergestellt.

Die getesteten Lithiumdisilikat-Keramiken umfassten:

  • Amber Press HT R10/A2, HASSBio, Kangneung, Korea
  • Celtra Press HT 12, Dentsply Sirona, Hanau, Deutschland
  • Initial LiSi Press LT-A2, GC Europe, Leuven, Belgien
  • IPS e.max Press HT A2, Ivoclar AG, Schaan, Liechtenstein
  • Livento Press MT A2, Cendres + Métaux, Biel, Schweiz

Als Kontrollgruppe diente eine 5Y-TZP-Zirkonoxidkeramik, Ceramill Zolid fx ML A2/A3, AmannGirrbach, Mäder, Österreich.

Material und Methoden

Die Herstellung der gepressten Prüfkörper aus Vollkeramik erfolgte durch das Fräsen von Wachsprüfkörpern aus Wachsronden (Ceramill WAX, Amann Girrbach AG) mithilfe einer fünfachsigen Fräseinheit (Ceramill Motion 2). Pro Muffel wurden drei Wachsprüfkörper angestiftet und anschließend mit der jeweiligen Einbettmasse des Herstellers der Lithiumdisilikat-Keramik eingebettet. Nach dem Abbinden der Einbettmasse wurden die Muffeln für 60 Minuten auf 860 °C vorgeheizt und anschließend in einem Keramikpressofen (Austromat 654 press-i-dent) mit der jeweiligen Keramik gepresst. Nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur wurden die Prüfkörper ausgebettet und mittels Sandstrahlen von der Einbettmasse komplett befreit. Hierbei kamen Nussschalengranulate für das grobe und Glasperlen für das feine Strahlen zum Einsatz.

Presstechnisches Herstellen von Veneers aus einer Lithiumdisilikat-Keramik (Anstiften, Pressen und Ausbetten, Darstellung der Fluoreszenz, fertige Veneers vor der Eingliederung). Bilder: © Bilder: ZTM Stefan Roozen

Die Zirkonoxidprüfkörper wurden gefräst und anschließend nach Herstellerangaben gesintert. Die endgültigen Abmessungen aller Prüfkörper nach der zusätzlichen Politur betrugen 30 mm in der Länge, 4 mm ±0,2 mm in der Breite und 3 mm ±0,2 mm in der Dicke. Diese Maße wurden dreimal mit einem digitalen Mikrometer überprüft. Um das Ermüdungsverhalten der Materialien zu testen und die Startlast zu bestimmen, erfolgten zunächst statische Bruchlasttests. Hierbei wurde die statische Bruchlast mittels einer Vierpunkt-Biege-Prüfung ermittelt. Sechs Prüfkörper jedes Materials wurden getestet, um die Startlast zu bestimmen; diese wurde als 30 % deren Festigkeit festgelegt.

Anschließend wurden die verbliebenen 48n Prüfkörper jedes Materials in drei Gruppen unterteilt und dynamischen Belastungen ausgesetzt. Die Belastungsprotokolle umfassten:

  • Protokoll 1: Erhöhung der Startlast um 50 N alle 5000 Zyklen.
  • Protokoll 2: Erhöhung der Startlast um 5 % alle 5000 Zyklen.
  • Protokoll 3: Erhöhung der Startlast um 10 N alle 1000 Zyklen.

Für die dynamischen Tests wurde dasselbe Prüfgerät verwendet, wobei eine Frequenz von 10 Hz bis zum Versagen angewendet worden ist. Die Vierpunkt-Biege-Festigkeit wurde berechnet. Diese methodische Herangehensweise ermöglichte es, das Ermüdungsverhalten der verschiedenen Keramiken (Vollkeramik) unter realistischen Bedingungen zu bewerten und wertvolle Erkenntnisse über ihre Leistungsfähigkeit im klinischen Einsatz zu gewinnen.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie zeigten signifikante Unterschiede zwischen den getesteten Materialien hinsichtlich ihrer Stabilität und der Anzahl der Belastungszyklen bis zum Versagen. Die Zirkonoxidkeramik wies mit einer durchschnittlichen statischen Bruchlast von 1223 N die höchsten Werte auf – ein Ergebnis, das mit früheren Studien übereinstimmt. Im Vergleich dazu lagen die Werte für die Lithiumdisilikat-Keramiken wie folgt: Livento Press mit 492 N, Initial LiSi Press mit 573 N, Celtra Press mit 617 N, Amber Press mit 669 N und IPS e.max mit 677 N.

Alle getesteten Materialien erzielten jedoch Festigkeitswerte von mehr als 100 MPa – dies gilt als Mindestwert für adhäsiv befestigte monolithische Einzelzahnrestaurationen. Somit können alle in dieser Studie geprüften Werkstoffe bedenkenlos für Einzelzahnrestaurationen verwendet werden.

Die Analyse zeigte zudem: Das zweite Belastungsprotokoll war bei den Lithiumdisilikat-Keramiken am vorteilhaftesten; es führte zur höchsten Anzahl an Zyklen bis zum Versagen (P ≤ 0.041). Bei Betrachtung aller Daten hatte das Zirkonoxid insgesamt die höchste Anzahl an Zyklen bis zum Versagen (P < 0.001), während IPS e.max Press und Amber Press ebenfalls höhere Werte als Celtra Press aufwiesen (P ≤ 0.010).

Fraktografische Analysen bestätigten korrekte Testbedingungen: Risse begannen an der Zugseite; Kompressionswellen waren deutlich sichtbar auf der gegenüberliegenden Seite.

Bedeutung für die Praxis

Vollkeramik: Für Zahntechniker und Zahnärzte ist es von großer Bedeutung, die unterschiedlichen Eigenschaften der verfügbaren Keramiken zu verstehen. Die Wahl der richtigen Vollkeramik kann entscheidend für den langfristigen Erfolg einer Restauration sein – und damit auch für die Zufriedenheit des Patienten. Diese Studie verdeutlicht, dass gepresste Lithiumdisilikat-Keramiken eine hervorragende Option darstellen – insbesondere, wenn man ihr Ermüdungsverhalten unter realistischen Bedingungen, wie etwa in Dauerlastprüfungen, berücksichtigt.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass zukünftig weitere Forschung notwendig ist, um das Ermüdungsverhalten von Lithiumdisilikat-Keramiken weiter zu untersuchen. Insbesondere bedarf es Studien, die gepresste und geschliffene Keramiken vergleichen oder verschiedene Belastungsprotokolle anwenden.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Gepresste Lithiumdisilikat-Keramiken sind nicht nur ästhetisch ansprechend; sie bieten ausreichend mechanische Stabilität für den Einsatz als Einzelzahnrestaurationen. Indem wir uns auf solche Studien stützen und deren Ergebnisse in unsere Materialwahl einfließen lassen, können wir sicherstellen, dass Patienten die bestmögliche Versorgung erhalten.

Darüber hinaus müssen wir uns bewusst sein, dass auch die Be- und Verarbeitung sowie die Befestigung eine entscheidende Rolle für die Gesamtstabilität der Restauration spielen. Hierbei ist es unerlässlich, nicht nur die Herstellerangaben während des Fertigens der Restauration zu beachten, sondern auch eine offene Kommunikation und einen aktiven Wissensaustausch zwischen Zahntechniker und Zahnarzt zu fördern. Nur so können wir gemeinsam optimale Ergebnisse erzielen, die Reklamationen minimieren und das Vertrauen unserer Patienten stärken.

Untersuchung

Die hier präsentierten Ergebnisse stützen sich auf die folgende Untersuchung: Buser R, Dönmez MB, Hoffmann M, Hampe R, Stawarczyk B. Fatigue behavior and reliability of pressed lithium disilicate ceramics compared to 5Y-TZP zirconia under different loading protocols. Dent Mater 2025;41(2):134-140

TEAM-Talk

für Zahnmedizin, Zahntechnik, Dentaltechnologie, Wissenschaft