EADT e.V. – Status quo und Dilemmata in Zahnmedizin und Zahntechnik
Frisch von der IDS 2025 zurück, blickt der EADT e. V. auf eine inspirierende Messewoche. Zwar sind wir noch überwältigt von der Fülle an Eindrücken, nehmen aber vor allem positive Erfahrungen und eine großartige Messestimmung mit. Bei unserem TEAM-Talk „IDS-Spezial“ haben vier Expertinnen und Experten Trends und Entwicklungen aus verschiedenen Perspektiven analysiert. Zahnmedizin, Zahntechnik, Werkstoffkunde und Dentaltechnologie – unser Expertenteam hat die Köpfe zusammengesteckt und die Essenz der Messetage „destilliert“.
Die Expertenrunde des EADT e.V.
Dr. Gertrud Fabel (Zahnmedizin), ZTM Martina Schmitz (Zahntechnik), PD Dr. Adham Elsayed (Wissenschaft/Dentalindustrie) und Sebastian Spintzyk MSc. (Wissenschaft/Dentaltechnologie) diskutierten aktuelle Entwicklungen und warfen einen differenzierten Blick auf die Veränderungen in der digitalen Zahnmedizin und deren Auswirkungen auf den Praxis- und Laboralltag.
Vier Kernaussagen
1. Die Balance zwischen digitaler Effizienz und patientenorientierter Behandlung ist entscheidend
Ein zentrales Thema war die Optimierung von Workflows, insbesondere im Hinblick auf den Single-Visit-Dentistry-Ansatz. Gertrud Fabel sprach über die Chairside-Fertigung und hob die Bedeutung vollkeramischer Werkstoffe hervor. Hierbei geht es darum, Behandlungsschritte wie Präparation, Scan und Eingliederung so zu gestalten, dass der Patient das Behandlungszimmer idealerweise nicht verlassen muss. Die Herausforderung besteht darin, Prozesszeiten zu verkürzen. Schnellere Schleifzeiten für Keramiken, 3D-gedruckte Kronen mit vielversprechenden Prozesszeiten von nur 20 bis 25 Minuten und Materialien, die im Postprocessing keinen Brand mehr benötigen, tragen zu dieser Effizienzsteigerung bei. Allerdings betonte die Zahnärztin, dass die reine Reduktion von Behandlungsminuten an Grenzen stößt, wenn administrative Prozesse unnötig Zeit in Anspruch nehmen: „Es werden immer mehr Programme, was unsere Abläufe verkompliziert.“ Bis zu 20 verschiedene Softwareprogramme in einer durchschnittlichen Praxis stellen ein ernsthaftes Problem dar. Es gilt also, ganzheitliche, schlankere Prozesse zu etablieren, die dem Patienten zugutekommen, ohne die Wirtschaftlichkeit zu gefährden.
2. Trotz digitaler Transformation bleibt analoges Wissen unverzichtbar
Die Digitalisierung in Zahnarztpraxis und Dentallabor ist unaufhaltsam und hat viele traditionelle Behandlungskonzepte ergänzt oder ersetzt. Martina Schmitz thematisierte die Rolle des zahntechnischen Handwerks im digitalen Zeitalter und brachte mit ihrer 35-jährigen Erfahrung als Zahntechnikerin eine wertvolle Perspektive ein. Obwohl sie die Vorteile der Digitalisierung schätzt, ist sie der Überzeugung, dass ohne analoges Wissen die beste digitale Technik nichts nützt. Zudem betonte sie das dreidimensionale Verständnis, das man nur beim Arbeiten mit einem physischen Modell in der Hand entwickelt. Bei der keramischen Verblendung ermöglicht ihr die manuelle Schichttechnik eine Individualisierung mit Charakteristika, die digital schwerer zu erreichen sind. Bezüglich der Kosten merkte sie an, dass schnellere Herstellungsverfahren sich potenziell im Preis widerspiegeln könnten, wies jedoch gleichwohl darauf hin, dass technologische Anschaffungen teuer sind und sich die Frage stellt, wie diese Kosten weitergegeben werden können. Hier zeichnet sich möglicherweise eine Zweiteilung ab zwischen Laboren, die sehr einfach arbeiten, und solchen, die teure Hilfsmittel nutzen. Abschließend betonte sie die Notwendigkeit einer guten Grundlage. Eine perfekte Abformung, sei sie analog oder digital, bleibt essenziell für qualitativ hochwertige Restaurationen.
3. Die rasante Entwicklung von Werkstoffen und Technologien
Die Geschwindigkeit, mit der neue Werkstoffe und Technologien auf den Markt kommen, ist enorm. Dies betrifft auch die adhäsive Befestigung. Adham Elsayed fokussierte auf Universalprodukte und aufeinander abgestimmte Arbeitsabläufe. Im Bereich der adhäsiven Befestigung stellte er die Möglichkeiten mit Zirkonoxid und universellen Adhäsiven vor. Ein wesentlicher Punkt seiner Ausführungen: der Trend zu Ein-Flaschen-Systemen. ObwohlUniversaladhäsive eine Vereinfachung versprechen, funktionieren nicht alle gleich gut und müssen hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit geprüft werden. Die Entscheidung für die „richtigen“ Innovationen erfordert eine Abwägung zwischen Features und dem tatsächlichen Nutzen für Patienten. Sebastian Spintzyk ergänzte diese Perspektive mit seinen Erkenntnissen zum 3D-Druck. Er berichtete über vollautomatisierte Prozesse, begonnen vom Druck über die Reinigung bis zur Lichthärtung, Fortschritte in der Pulverbettmetallurgie, Hybridfertigung für herausnehmbaren Zahnersatz und die erweiterte Materialvielfalt. Ein wichtiges Thema war, wie Standardisierung und validierte Protokolle zur Qualitätssicherung beitragen.
4. Das Innovationstempo als zentrale Herausforderung
Angesichts der hohen Investitionskosten für neue Technologien und der Notwendigkeit, das Personal zu schulen, stellt sich die Frage nach der wirtschaftlichen Umsetzbarkeit. Zudem wurde die Problematik angesprochen, dass Anwender mit den rasanten Innovationszyklen kaum mehr Schritt halten können. Im Bereich von Werkstoffen bleibt kaum Zeit, sich mit einer neuen Technologie vertraut zu machen und interne Standards zu etablieren, bevor die nächste Innovation auf den Markt kommt. Diese Disruptivität, die man aus der IT-Branche kennt, zwingt Anwender zu Entscheidungen. Sie können nicht jede Neuerung ausprobieren, da am Ende wirtschaftliche Prozesse im Vordergrund stehen. Man solle sich für ein bestimmtes Thema entscheiden und dieses sicher beherrschen, anstatt blind dem Motto „höher, schneller, weiter“ zu folgen. Die Frage ist nicht immer, was sich in den nächsten drei Jahren ändert, sondern worauf man sich in dieser Zeit verlassen kann. Letztlich entscheidet nicht der Hype, sondern der praktische Nutzen über den Erfolg einer Innovation.
Fazit des EADT TEAM-Talk
Die Kernaussagen der Diskussion verdeutlichten die Spannungsfelder, in denen sich Zahnmedizin und Zahntechnik bewegen: die Balance zwischen Effizienz und Patientenorientierung, das Zusammenspiel von digitalen und analogen Fertigkeiten sowie die Herausforderungen durch die rasante Material- und Technologieentwicklung.
Der TEAM-Talk des EADT auf der IDS 2025 zeichnete ein lebendiges Bild der Herausforderungen und Chancen in der Zahnmedizin. Die Integration digitaler Technologien schreitet voran und bietet immense Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und verbesserter Patientenversorgung. Gleichzeitig erfordert dieser Wandel eine sorgfältige Abwägung zwischen Innovation und Bewährtem, eine kontinuierliche Weiterbildung und benutzerfreundliche Lösungen, die den Bedürfnissen von Anwenderinnen und Anwendern und vor allem von Patienten gerecht werden.
Wir vom EADT e. V. danken Amann Girrbach herzlich für die großartige Bühne und den technischen Support! Die komplette Aufzeichnung des TEAM-Talks „IDS-Spezial 2025“ steht auf unserer Website bereit.