Patientenkommunikation: Verändere den Blickwinkel auf den Patienten

Patientenkommunikation: In der modernen Zahnmedizin ist zusätzlich zur Fachkompetenz die Kommunikation mit Patienten von hoher Bedeutung. Eine effektive Kommunikation ermöglicht es, die Anliegen von Patienten zu verstehen, ihnen relevante Informationen zur Verfügung zu stellen und sie in Entscheidungen einzubeziehen. Wichtig sind das Verständnis der klinischen, sozialen und emotionalen Bedürfnisse und die Fähigkeit, sich darauf einstellen zu können. ZTM Marie Witt geht im Artikel auf Veränderungen ein, die den „Patienten von heute“ prägen. Basierend auf ihrer Erfahrung beschreibt sie, wie sich ihre Arbeit dadurch gewandelt hat, dass sie den Fokus im Patientengespräch auf ein fundiertes Kommunikationskonzept legt. Die erfahrene Zahntechnikermeisterin sensibilisiert für einen Perspektivwechsel. (Bild: Bild: Adobe, Djomas)

ZTM Marie Witt

Der Patient im Zeitalter der Medialisierung unterscheidet sich in vielen Dingen von dem Patienten aus früheren Zeiten. So wie sich die digitale Kommunikation bzw. der Medienkonsum verändert (z. B. durch soziale Netzwerke), so orientiert und adaptiert sich der Mensch daran. Dies hat Einfluss auf die zahnmedizinische sowie zahntechnische Arbeit bzw. den Umgang mit dem Patienten, z. B. beim Informations- oder Beratungsgespräch, der Patientenkommunikation.

Patienten sind heute aufgeklärter als früher; es sei zunächst dahingestellt, ob das Wissen fachlich immer korrekt ist. Patienten informieren sich aktiv über Therapiemöglichkeiten und -alternativen. Dr. Google ist das neue Lexikon; hier findet der Patient nahezu alles. Je nachdem, wie akribisch recherchiert wird, sind die Informationen mehr oder weniger ergiebig. Patienten haben heute oftmals ästhetisch höhere Ansprüche, u. a. geprägt durch „Vorbilder“ in sozialen Medien. Zudem legt eine Vielzahl der Patienten hohes Augenmerk auf gesundheitliche Prävention, z. B. gesunde Ernährung, Sport, Work-Life-Balance, Zahnprophylaxe etc.

Und auch wenn sich vieles verändert hat, ist eines noch immer gleich: die Angst bzw. das Unbehagen des Patienten beim Besuch der Zahnarztpraxis. Die DGZMK (Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde) sprach im Jahr 2002 von lediglich 20 % angstfreien Patienten; diese Zahl wird sich wahrscheinlich nicht signifikant verändert haben. Dies bedeutet, dass 60 % bis 80 % der Menschen einen Zahnarztbesuch mit Ängsten verbinden.

Dies sind noch lange nicht alle Herausforderungen, vor denen uns der Patient in Zahnarztpraxis und Dentallabor stellt. Hinzu kommen beispielsweise „Ästhetik-Patienten“, die besondere Eigenvorstellung ihres neuen Lächelns erfüllt haben möchten. Zudem sind die Patienten in ihrer Entscheidungskompetenz zu unterscheiden. Viele treffen bewusst ihre eigenen Entscheidungen; andere wollen oder können dies nicht und benötigen unsere Hilfe. Und parallel zu den Veränderungen der Patienten hat sich auch die Zahnmedizin weiterentwickelt und ist heute beispielsweise deutlich minimalinvasiver als noch vor einigen Jahren.

Aus eigener beruflicher Erfahrung weiß ich, dass Patienten im Arbeitsalltag – sowohl in der Zahnarztpraxis als auch im Dentallabor – unsere volle Aufmerksamkeit fordern. Dies ist nicht immer einfach. Denn nicht nur klinisch, auch emotional begegnen uns Patienten mit ganz unterschiedlichen Anliegen: Angst vor einer Behandlung, hohe ästhetische Ansprüche, funktionelle Probleme und daraus resultierende komplexe Beschwerden, der Wunsch nach geraden und/oder helleren Zähnen, Zahnschmerzen, Unzufriedenheit mit einer vorhandenen Restauration etc.  – die Liste ist lang.

Quadratur des Kreises oder wie wir es schaffen, die Herausforderungen im Beratungs- bzw. Informationsgespräch zu berücksichtigen und zudem noch effizient sind. Die Lösung: den Betroffenen zum Beteiligten machen. Dieser Vorsatz aus dem Veränderungsmanagements kann auch anders formuliert werden: Die Würde des Menschen besteht in der Wahl.em

Der „Patient von heute“ fordert also ein höchstes Maß an Aufmerksamkeit. Dies ist mit einem Perspektivenwechsel bei der Patientenkommunikation verbunden. Die medizinische Fachliteratur gibt es vor. Und es ist kein Potpourri an Floskeln; vielmehr geht es um psychologisch fundierte Kommunikationsmodelle, die nicht nur in der Theorie gut klingen, sondern die praktisch anwendbar sind. Diese liefern uns nicht nur sprachliche Finesse, sondern vermitteln konkrete Fertigkeiten, um sich flexibel und individuell auf die Gesprächssituation mit dem Patienten einzustellen.

Es liegt die Tatsache nicht fern, dass wir zusätzlich zu klinischen und technischen Arbeitskonzepten ein Kommunikationskonzept für das Patientengespräch benötigen. Um zu verstehen, wie wir Patienten im Gespräch abholen und auf sie zugehen können, ist das Wissen um grundlegende Fakten der Kommunikation wichtig. Das Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun und das Typologisieren des Patienten nach dem Riemann-Thomann-Modell bringen individuelle Kommunikation auf den Punkt. Daraus entsteht ein Verständnis dafür, wie Konflikte im Patientengespräch umgangen werden können.

Reflektiert betrachtet, ist mir persönlich eines in den vielen Patientengesprächen der vergangenen Jahre bewusst geworden: Wenn wir kein Verständnis für die emotionale Geschichte des Patienten aufbringen, werden wir seine dentale Geschichte nur schwer nachvollziehen können. Die emotionale und dentale Geschichte sind untrennbar miteinander verbunden und sollten auf Gehör stoßen. Viele Patienten haben ein feines Gespür dafür, ob wir zuhören oder ob wir nur vorgeben zuzuhören.

Würden Sie sich selbst so beraten, wie Sie es bei Ihren Patienten tun? Ein Beispiel ist die aktiv passive Körpersprache, auf die der Patient intuitiv achtet. Diese These stammt aus der fachlichen Literatur zum Thema „Gesprächsführung“.t item

Die Zeit für ein Beratungsgespräch ist im Praxis- und Laboralltag begrenzt. Doch es kommt immer wieder vor, dass Patienten unseren Ausführungen nicht folgen können und mehrfach dieselben Fragen stellen. Zunächst: Effizienz und gute Gesprächsführung schließen sich nicht aus, ganz im Gegenteil. Eine gute Gesprächsstruktur basiert auf Zeitmanagement. Aber wie führen wir ein effizientes Gespräch richtig? Im ersten Schritt wird der Gesprächsrahmen festgelegt. Wo kann ich mit dem Patienten ungestört reden. In der Zahnarztpraxis kann dies das Behandlungszimmer sein. Im Dentallabor sollte das Gespräch in einem separaten Raum stattfinden; ein Platz, an dem wir mit dem Patienten ungestört sind. Im nächsten Schritt geht es zu den Basics, den Gesprächstechniken. Für viele ist das Thema neu. Das war es auch für mich. Doch einmal angewandt, bemerkte ich plötzlich eine echte Veränderung beim Patienten. Doch nicht der Patient hat sich verändert, sondern unser Miteinander und somit die Akzeptanz. Es entsteht eine vertrauliche Basis. „Werkzeug“ dafür sind solide Gesprächstechniken, wie z. B.: aktives Zuhören, motivierende Gesprächsführung, Metakommunikation, und natürlich Empathie für das Gegenüber.

Der Patient trifft basierend auf den gesammelten Informationen entweder selbst eine Entscheidung oder er spürt, dass ihm ein fachkompetentes Team behilflich ist und eine Entscheidung in seinem Sinne getroffen wird. Er gewinnt Vertrauen. Wir sprechen von „Shared-Decision-Making“ oder auch „partizipativer Entscheidungsfindung“. Früher haben wir eher versucht, keine Entscheidung für den Patienten zu treffen. Wie haben es umgangen, für den Patienten oder auch mit ihm eine Entscheidung zu treffen. Denn wir wollten bei der Rohbrandeinprobe nicht hören: „Da haben Sie mich nicht richtig verstanden. So habe ich mir das nicht vorgestellt.“

Der Patient trifft basierend auf den gesammelten Informationen entweder selbst eine Entscheidung oder er spürt, dass ihm ein fachkompetentes Team behilflich ist und eine Entscheidung in seinem Sinne getroffen wird. Er gewinnt Vertrauen. Wir sprechen von „Shared-Decision-Making“ oder auch „partizipativer Entscheidungsfindung“. Früher haben wir eher versucht, keine Entscheidung für den Patienten zu treffen. Wie haben es umgangen, für den Patienten oder auch mit ihm eine Entscheidung zu treffen. Denn wir wollten bei der Rohbrandeinprobe nicht hören: „Da haben Sie mich nicht richtig verstanden. So habe ich mir das nicht vorgestellt.“

Dr. Ellen Langer, Professorin der Psychologie der Havard-University schreibt zum Thema Entscheidungsfindung: „Menschen möchten eine Begründung für ihr Handeln.“ Ein einfaches „,weil…“ ist notwendig und oftmals ausreichend. Der Patient zeigt dann ein kooperatives Verhalten im Rahmen der Therapie: Compliance. Zudem liegt der Schwerpunkt auch auf der Mitarbeit und der Mitverantwortung des Patienten: Adhärenz.

„Verändere den Blickwinkel auf den Patienten“ … so lautet die Überschrift des Artikels. Mir persönlich wurde vor einigen Jahren bewusst, wie wichtig es für meine Arbeit und die Patientenkommunikation ist, die Perspektive des Patienten zu verstehen. Zahntechnik ist ein Medizinhandwerk. Wir sind keine Maschinen, wir haben Emotionen. Und eben diese benötigen wir, wenn wir mit und am Menschen arbeiten; „Mitmenschen“. Oft kommt es zu Situationen, in denen nörgelnde und unzufriedenen Patienten vor uns sitzen. Sie kennen das vielleicht; da ist dieser eine Patientenfall, der Sie seit Jahren gedanklich nicht loslässt. Hier war die Spirale der negativ eskalierenden Art, miteinander zu kommunizieren, der Anlass, dass die restaurative Therapie nicht oder nur unbefriedigend abgeschlossen werden konnte.

Nutzen Sie die Möglichkeiten zum Perspektivenwechsel! Durchbrechen Sie den Teufelskreis. Ursachen von Kommunikationsschwierigkeiten liegen nicht bei einem einzelnen, sondern im Zusammenwirken der beteiligen Personen. Oftmals reagieren wir im Alltag nur auf Konflikte. Besser ist es jedoch zu agieren. Ich trete daher lieber selber in Aktion, finde heraus was den Patienten verärgert hat und stelle mich aktiv auf ihn ein.

Was mir damals nicht bewusst war: Es gibt verschiedene Patienten-Typen und jeder Typ verlangt eine andere kommunikative Ebene. Heute ist mir klar, dass Gesprächsführung und Kommunikationsaufbau immer vom Patienten-Typen abhängen und dass man sich darauf einlassen sollte. Denn um eine restaurative Therapie erfolgreich abschließen zu können, ist die Mithilfe des Patienten unerlässlich.

Für mich ist es unumgänglich geworden, auf fundierte Kommunikationskonzepte zugreifen zu können. Diese ersparen uns Zeit im Arbeitsalltag. Sie lassen ein strukturiertes Vorgehen zu. Falsche Kommunikation aufgrund fehlender Fakten werden minimiert und wertvolle Arbeitszeit wird gespart. Langwierige Anpassungen oder Neuanfertigungen lassen sich reduzieren bzw. beinah eliminieren. Aus heutiger Sicht möchte ich mein Wissen im Bereich der Patientenkommunikation nicht mehr missen. Und der Patient? Der natürlich auch nicht. Das zwischenmenschliche Vertrauen ist der Lohn für die Mühen und dies wird auch nach außen kommuniziert. Die Mund-zu-Mund-Empfehlung ist ein respektabler Nebeneffekt. Heute sprechen wir von Marketing; noch besser ausgedrückt: the marketing of the modern age.

Autorin:

ZTM Marie-Luise Witt, smile@ztm-marie-witt.de

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