Implantatprothetik (Teil 1) – verschraubt oder zementiert?

Abb. 5: v.l.: 3D-Planung vor Implantation, Konstruktionsdesign und fertiger Datensatz vor der Herstellung der Suprakonstruktion.

Andreas Kunz, Dr. Insa Herklotz

Verschraubt oder zementiert in der Implantatprothetik – eine Frage der Präferenz oder gibt es fallbezogene Entscheidungsfaktoren?

Die Art der Verbindung bei festsitzenden Implantatrestaurationen (Implantatprothetik) kann grundsätzlich in verschraubte und zementierte Suprastrukturen unterschieden werden. Für Behandlungsteams stellt sich die Frage, welche individuellen Faktoren für die Wahl der Verbindung entscheidend sind. Bei Betrachtung der Komplikationsraten von festsitzenden Suprastrukturen auf Implantaten zeigen sich nach 5 Jahren nur noch 60 % der prothetischen Versorgung komplikationsfrei. Der überwiegende Anteil der Komplikationen ist technischer Natur wie Fraktur der Verblendung, Schraubenlockerung, sowie Schrauben- und Abutmentfrakturen (Pjetursson et al 2004, Jung et al 2012).

Konfektioniert vs. individuell

Auf biologische Komplikationen wie Periimplantitis entfallen 9 %. Sailer et al 2012 konnten zeigen, dass vor allem verschraubte Restaurationen zu technischen Komplikationen neigen und bei zementierten Restaurationen eher biologische Komplikationen auftreten. Bei zementierten Verbindungen werden vor allem im Sulkus verbleibende Zementreste als möglicher Auslöser für peri-implantäre Erkrankungen gesehen (Wilson 2009). Viele Studien verwenden konfektionierte Abutments für zementierten Restaurationen. Ein zahnähnliches Emergenzprofil lässt sich bei diesen oft nur durch einen tief liegenden Kronenrand erreichen (Abb.1). Linkevicius konnte zeigen, dass die zunehmende subgingivale Lage des Kronenrandes mit vermehrt verbleibenden Zementresten einhergeht (Linkevicius et al 2013). Oft ist es schwierig, in der Implantatprothetik die Schnittstelle von konfektioniertem Abutment und Krone horizontal sowie vertikal individuell anzupassen. Leider werden, gemessen an den Verkaufszahlen namhafter Implantathersteller, immer noch proportional viele konfektionierte Abutments verkauft. Individuell an das Emergenzprofil angepasste Abutments ermöglichen eine äquigingivale Lage des Kronenrandes. Dies erleichtert die Entfernung des Zementrestes. Gleichzeitig wird das periimplantäre Weichgewebe durch das individualisierte Abutment optimal ausgeformt und ein natürliches Austrittsprofil der Krone erreicht (Abb. 2). Das zusätzliche Legen eines Retraktionsfadens vor dem Zementieren erleichtert die Kontrolle der Entfernung der Zementreste.

Abb. 1 Konfektionierte Titanabutments ermöglichen oftmals keine äquigingivale Lage des Kronenrandes. Zementreste lassen sich schwer entfernen.

Abb. 2: v.l.: Bild 1 – Austrittsprofil vor Ausformung. Bild 2 – Horizontale Dimension des zu ersetzenden Zahnes. Bild 3 – Diskrepanz zwischen Austrittsprofil und Implantatkrone. Bild 4 – Abutment-Ausformung des Emergenzprofils. Bild 5 – Eingesetztes konfektioniertes Titan-Abutment.

Individuelle Abutments sollten aus einem gewebeverträglichen und mechanisch festen Material hergestellt werden. Gute optische Eigenschaften können zusätzlich die Ästhetik verbessern. Welander et al 2008 zeigte schlechtere biologische Verträglichkeit von mit Gold angegossenen Abutments im Vergleich zu Zirkonoxid und Titan. Scarano et al 2004 und Degidi et al 2006 bestätigen dem Zirkonoxid gleichwertige bzw. leicht bessere biologische Gewebeverträglichkeit als Titan. Aus heutiger Sicht gilt Titan aber immer noch als Goldstandard bei der Auswahl von Abutmentmaterialien. Zirkonoxid kommt meist in der Verbindung als Hybridabutment vor. Hier wird ein individuell hergestellter Zirkonoxidaufbau auf eine konfektionierte Titanbasis geklebt (Abb. 3). Individuelle Abutments können mittels CAD/CAM Verfahren präzise hergestellt werden. Sie ermöglichen eine äquigingivale Lage des Kronenrandes und damit eine Verminderung von submukösen Zementresten.

Abb. 3: Hybrid-Abutment-Kronen/Brücken vor dem Verkleben der Titanklebebasen in die Suprastrukturen.

Zementierte Restaurationen (Implantatprothetik)

Zementierte, implantatgetragene Suprakonstruktionen kommen vor allem bei einer ungünstigen Position des zukünftigen Schraubenkanals aufgrund der prothetisch inkorrekten Implantatachse zum Einsatz (Abb. 4). Liegt die Schraubenöffnung außerhalb der okklusalen Fläche bzw. bei Frontzähnen im Schneidekanten oder labialen Bereich, ist eine okklusal verschraubte Implantatkrone für den definitiven Zahnersatz nicht indiziert. Eine prothetisch orientierte, prächirurgische Implantatplanung kann frühzeitig aufzeigen, ob eine okklusale Verschraubung der Restauration möglich ist. Die Entwicklung des digitalen Volumentomogramms hat den Fortschritt in der 3D-Diagnostik und -Planung ermöglicht. Mittels 3D-Planungssoftware lassen sich Emergenzprofil und Schraubkanalöffnungen präoperativ planen (Abb. 5). Mit Hilfe schablonengestützter Navigationsverfahren kann die Implantatplanung intraoral mit hoher Präzision umgesetzt werden. Ein prothetisch optimal gesetztes Implantat ist nicht nur aus funktionellen und ästhetischen Gründen für die definitive Suprastruktur entscheidend, sondern auch aus biologischen Gründen. Es ermöglicht dem Patienten eine optimale Reinigung der Restauration und sorgt damit für langfristig stabile Weichgewebsverhältnisse.

Abb. 4: Position und Ausrichtung der Implantate entscheiden, ob verschraubt oder zementiert wird. Knochenangebot und Augmentationsmöglichkeiten beeinflussen die prothetische Rekonstruktion.

Abb. 5: v.l.: 3D-Planung vor Implantation, Konstruktionsdesign und fertiger Datensatz vor der Herstellung der Suprakonstruktion.

Zementierte Implantatkronen und Brücken, lassen sich in Bezug auf den approximalen Kontaktpunkt leichter eingliedern als verschraubte. Durch die konische Stumpfpräparation (4-6 Grad) des Abutments hat die Einschubrichtung eine höhere Varianz (Abb. 6). Okklusal verschraubte Suprakonstruktionen weisen bei parallelwandigen, innenrotationsgesicherten Implantatsystemen eine geringe Varianz zwischen der Einschubrichtung der approximalen Kontaktpunkte und Einschubrichtung der Implantatkrone/Brücke auf. Bei konischen Implantatverbindungen wird oftmals die vertikale Endposition nur mit definiertem Drehmoment erreicht. Das Anpassen eines zu starken approximalen Kontaktpunktes ist aufgrund des wiederholten Ein- und Ausschraubens der Krone zeitaufwändig.

Abb. 8 Mit okklusal verschraubten Implantatkronen kann das Weichgewebe schrittweise ausgeformt werden.

Abb. 7: Durch konische Präparation der Abutments einer Brückenrekonstruktion können Divergenzen unterschiedlicher Angulation der Implantate ausgeglichen werden.

Nachteil zementierter Implantatrestaurationen ist die fehlende Möglichkeit des Entfernens der Krone. Notwendig wird dies bei Schraubenlockerung oder Schraubenbruch sowie bei Keramikfrakturen, dem sog. Chipping, einer der häufigsten technischen Komplikationen von Implantatrestaurationen (Schwarz et al 2012). Meistens müssen diese Kronen dann trepaniert und damit zerstört werden, um den Schraubenkanal zu erreichen und die Krone herausschrauben zu können. Eine Studie von Gracis et al zeigte, dass es bei Implantatsystemen mit externer Rotationssicherung häufiger zu Schraubenlockerungen kommt als bei Systemen mit interner Rotationssicherung.

Entscheidungsfaktoren Implantatkrone „zementiert“

Die Vorteile

  • Kauflächen können optimal gestaltet werden, kein störender Schraubenkanal.
  • Kein zusätzlicher Aufwand für den Zahnarzt (okklusales/palatinales Nacharbeiten).
  • Angulationen der Implantatposition können kompensiert werden.
  • Kronen lassen sich in Bezug auf Approximalkontakte besser eingliedern.

Die Nachteile:

  • Möglichkeit von Zementüberschüssen im Sulkus.
  • Krone/Brücke meist nicht einfach entfernbar.
  • Erschwertes Einsetzen durch „Druck auf Gewebe“.

Implantatprothetik (Teil 2) lesen:

Weitere Informationen gibt es auch in der Publikation: Herzklotz I, Kunz A, Beuer F: Verschraubt oder zementiert – ist das die Frage? Quintessenz 2017;68(9):1-7

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