Im Gespräch mit Dr. Isabel Metz

Dr. Isabel Metz (Mitglied im EADT e.V.) hat sich für ihre Masterarbeit umfassend mit dem Thema „Seniorenzahnheilkunde“ beschäftigt. Die Zahnärztin ist in der Zahnärztlichen Prothetik am Klinikum der LMU München tätig. Die Seniorenzahnheilkunde hat sie u. a. aus wissenschaftlicher Perspektive beleuchtet. Im Interview beantwortet sie einige Fragen für den klinischen Alltag.
Ein exaktes Alter beschreiben zu wollen, ist schwer und entspricht nicht zwangsläufig der realen Situation. Ein hohes Lebensalter geht physiologischer Weise mit körperlichen Altersveränderungen einher, die ihren Ursprung in den Veränderungen jeder einzelnen Zelle haben. Auch pathologische Geschehnisse, wie z. B. Krankheiten, können vermehrt auftreten. Dennoch korrelieren diese Veränderungen nicht zwangsläufig mit einem spezifischen kalendarischen Lebensalter. Sinnvoller ist es, jeden Patienten als Individuum zu betrachten und abzuschätzen, inwieweit die physiologischen und pathologischen Veränderungen Einfluss auf eine zahnmedizinische Behandlung haben.
In der fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V, 2016) lassen sich Zahlen für drei Patientengruppen finden. Untersucht wurden – unter anderem – jüngere Senioren (65- bis 74-Jährige), ältere Senioren (75- bis 100-jährige) sowie pflegebedürftige ältere Senioren. Ein Vergleich zeigt, dass die Karieserfahrung, also die Anzahl der Zähne mit kariösen Läsionen bzw. restaurativen Versorgungen bzw. ersetze Zähne, mit zunehmendem Lebensalter ansteigt. 12,4 % der jüngeren, 32,8 % der älteren sowie 53,7 % der älteren Senioren mit Pflegebedarf besitzen keine eigenen natürlichen Zähne mehr. Betrachtet man die kontrollorientierte Inanspruchnahme von zahnärztlichen Diensten, sinkt diese mit Vorhandensein einer reduzierter Alltagskompetenz deutlich (ältere Senioren: 68,2 %, ältere Senioren mit Pflegebedarf: 38,8 %). Ebenso steigt die erforderliche Hilfe bei der Mundhygiene an (ältere Senioren: 6,7 %, ältere Senioren mit Pflegebedarf: 29,8 %).
In der Seniorenzahnheilkunde stellt Reproduzierbarkeit einen wichtigen Aspekt dar. So fällt es vielen älteren Senioren schwer, sich an neuen Zahnersatz zu gewöhnen. Das Duplizieren von digital gespeicherten und vom Patienten bereits getragenen Prothesen durch erneutes Herausfräsen aus einer auspolymerisierten Kunststoffronde stellt diesbezüglich eine interessante Möglichkeit dar.

Es ist unumstritten, dass Erkrankungen im Bereich der Mundhöhle im direkten Zusammenhang mit einigen Erkrankungen des gesamten Organismus stehen. Besteht eine insuffiziente Mundhygiene und damit eine erhöhte Plaque- und Bakterienakkumulation an natürlichen oder künstlichen Zähnen, kann das Risiko für eine Atemwegserkrankung deutlich ansteigen. So führen Lungenentzündungen nicht selten bei älteren Patienten zum Tode. Ebenso können Entzündungen des Zahnhalteapparats (Parodontitis) Einfluss auf einen bestehenden Diabetes mellitus haben oder sogar das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen erhöhen.
Insbesondere für Patienten mit eingeschränkter Alltagskompetenz ist es notwendig, das interdisziplinäre Umfeld für mundgesundheitliche Themen zu sensibilisieren. Beispielsweise können zahnmedizinische Schulungen des Pflegepersonals gewähren, mögliche Defizite sowie mundgesundheitsbezogene Risiken frühzeitig zu erkennen. Darüber hinaus ist es wünschenswert, die aufsuchende zahnärztliche Betreuung stationär und ambulant pflegebedürftiger Senioren zu stärken. In den Jahren 2013 und 2014 förderte der Gesetzgeber mit dem Versorgungsstrukturgesetzt (VStG) und dem Pflegeneuausrichtungsgesetzt (PNG) bereits diese Bemühungen.
Die prothetische Versorgung kann einen großen Einfluss auf die allgemeine Lebensqualität sowie auf die körperliche Gesundheit haben. Schmerzen durch zerstörte Zähne oder insuffiziente Prothesen reduzieren die Kauleistung. Neben physiologischen altersassoziierten Faktoren, wie reduziertem Hunger- und Durstgefühl, reduziertem Speichelfluss etc., können Schmerzen zu einer gestörten Nahrungsaufnahme führen. Die Nahrung kann nur unzureichend zerkleinert werden, sodass Verdauungsbeschwerden die Folge sein können. Kompensatorisch wird die Ernährung häufig auf einseitig weiche oder flüssige Kost umgestellt, die viele Nährstoffe und Vitamine verloren hat, und Mangelernährungszustände können die Folge sein.
Die Implementierung von Pflegekonzepten in den Alltag ist unerlässlich. Eine routinemäßige Kontrolle, professionelle Zahn- und Prothesenreinigung sowie regelmäßige Instruktionen der Patientinnen und Patienten stellen wichtige Pfeiler dar. Auch durch Verwenden einfacher Hilfsmitteln, wie speziell geformte Haltegriffe an Zahnbürsten, kann die Mundhygiene für ältere Senioren vereinfacht werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Annett Kieschnick
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