Adhäsive Befestigung: Korundstrahlen vs. Flusssäure-Ätzen

Die adhäsive Befestigung vollkeramischer Restaurationen spielt eine wichtige Rolle für den Erfolg prothetischer Versorgungen. Bei der Verarbeitung silikatbasierter Keramiken stellt die Konditionierung der Restaurationsoberfläche mit Flusssäure den Goldstandard dar. Jedoch birgt der Umgang auch Gefahren. Eine Studiengruppe der LMU untersuchte, ob Korundstrahlen in Kombination mit Universalprimer eine gleichwertige oder sogar überlegene Alternative zur Flusssäure-Ätzung darstellen könnte.

Flusssäure (HF) wird in der prothetischen Zahnheilkunde zum Ätzen silikatbasierter Keramiken eingesetzt, um die Haftung von Kronen, Brücken und Veneers an der Zahnhartsubstanz zu ermöglichen. Der Ätzprozess löst selektiv die glasartige (SiO2) Matrix auf und erzeugt eine raue Oberfläche, die für eine mikromechanische Retention sorgt. Ein unsachgemäßer Umgang mit HF kann jedoch zu schweren Verätzungen von Haut und Augen führen, was eine erhebliche Gefahr für zahnärztliches Personal und Patienten darstellt. So rücken alternative Oberflächenbehandlungen wie das Korundstrahlen als weniger toxische Option in den Vordergrund. 

Adhäsive Befestigung: Mikromechanik und chemische Adhäsion

Restaurationen aus Zirkonoxid (Oxidkeramik), die eine hohe Kristallinität und keine glasartige Phase aufweisen, können nicht mit Flusssäure geätzt werden. Stattdessen wird die Restauration mit Aluminiumoxid (Al2O3) abgestrahlt, um die mikromechanische Retention zu schaffen. Die Effektivität dieser Methode hängt von Faktoren wie Partikelgröße (25-50 µm), Druck, Abstand und Anwendungsdauer ab. Falsche Parameter können jedoch zu Schäden an der Oberfläche und zu einer Passungenauigkeit der Restauration führen. Neben der mikromechanischen Retention ist die chemische Haftung entscheidend. Universalprimer mit funktionellen Monomeren wie MDP fördern die Bindung an Zirkonoxidoberflächen, während funktionelle Silane die Haftung an silikatbasierten Keramiken ermöglichen.

Die Werkstoffkunde-Forschungsgruppe der LMU untersuchte, ob silikatbasierte Keramiken ohne HF-Ätzung allein durch Korundstrahlen mit Aluminiumoxid in Kombination mit einem Universalprimer effektiv adhäsiv befestigt werden können [1]. Zudem wurden die Sandstrahlparameter für Zirkonoxid evaluiert.

Die Hypothese der Untersuchung

Die Hypothese lautete, dass weder die Partikelgröße noch der Druck die Oberflächeneigenschaften beeinflussen und dass weder Materialzusammensetzung noch -alterung die Haftfestigkeit beeinflussen würden.

Material und Methoden

In dieser In-vitro-Untersuchung wurden drei verschiedene CAD/CAM-Keramiken untersucht:

Die Keramikblöcke wurden in 280 Substrate (7,5 × 7,5 × 2 mm³) geschnitten und entsprechend den Herstellervorgaben kristallisiert bzw. gesintert. Nach dem Polieren wurden die Substrate in vier Vorbehandlungsgruppen und eine Kontrollgruppe eingeteilt.

Anschließend wurden die Oberflächenenergie und Oberflächenrauigkeit ermittelt. Vor dem adhäsiven Verkleben der Substrate mit einem dualhärtenden Befestigungskomposit (Variolink Esthetic, Ivoclar) ist die gestrahlte bzw. geätzte Substratoberfläche mit einem Universalprimer (Monobond Plus, Ivoclar) behandelt worden. Die Hälfte der Prüfkörper wurde thermozyklisch gealtert (10.000 Zyklen zwischen 5 °C und 55 °C), um möglichst kliniknahe Aussagen über den Verbund treffen zu können. In einer Universalprüfmaschine wurde die Haftzugfestigkeit [MPa] getestet. Die Bruchbilder sind mikroskopisch analysiert worden, um festzustellen, ob der Bruch adhäsiv, kohäsiv im Substrat oder im Befestigungskomposit auftrat (Abbildung).

Ergebnisse

Zirkonoxidsubstrate zeigten eine niedrigere Oberflächenenergie auf im Vergleich zu den Silikatkeramiken (p < 0.001). Die höchsten Oberflächenrauheitswerte wurden bei einem Abstrahlen mit 50 µm Al2O3-Partikel und mit einem Strahldruck von 0,1 MPa erfasst (p < 0.001). 

Zirkonoxidsubstrate (Abbildung 1) zeigten höhere Haftzugfestigkeitswerte (30 – 45 MPa) als Feldspat (16 – 26 MPa) und Lithiumsilikat (10 – 21 MPa). Die HF-Ätzung führte zwar initial zu den höchsten Haftzugfestigkeitswerten (p < 0.030),doch die künstliche Alterung nahm Einfluss auf geätzte Substrate. Es reduzierte die Verbundfestigkeit im Vergleich zu Korundstrahlen (p < 0.039). Bei Zirkonoxid konnte die Verwendung von 50 µm Al2O3-Partikeln unabhängig vom Strahldruck die Verbundfestigkeit steigern (p < 0.002).

adhäsive Befestigung
Abbildung 1:  Boxplot der ermittelten Verbundfestigkeiten in MPa. 

Schlussfolgerung

Die Untersuchung konnte im Hinblick auf die adhäsive Befestigung zeigen, dass Korundstrahlen (25 und 50 µm Partikelgröße) mit 0,1 MPa Strahldruck eine effektive Vorbehandlungsmethode für die Befestigung von silikatbasierten Keramiken wie Feldspat- und Lithiumdisilikatkeramik sein könnte und durchaus das Ätzen mit der gesundheitsgefährdenden Flusssäure ersetzen kann. Die Auswertung der Bruchbilder zeigte allerdings vermehrt kohäsive Brüche in der Feldspatkeramik nach Korundstrahlen, insbesondere bei einem Druck von 0,1 MPa, im Vergleich zur HF-Ätzung. Dies könnte darauf hindeuten, dass das Korundstrahlen Mikrorisse verursachen kann, die das Substrat schwächen. Um definitive klinische Empfehlungen abgeben zu können, sollten zukünftige Untersuchungen Biegefestigkeitsmessungen nach Korundstrahlen einbeziehen, um eine mögliche strukturelle Schwächung zu bewerten.

Für Zirkonoxid wird weiterhin das Abstrahlen mit 50 µm Al2O3-Partikelgröße empfohlen, wobei der angewandte Druck keinen signifikanten Einfluss auf die Verbundfestigkeit zeigte. 

Untersuchung

Die hier präsentierten Ergebnisse stützen sich auf die folgende Untersuchung: Lankes, V.; Coldea, A.; Meinen, J.; Schwendicke, F.; Stawarczyk, B., Airborne-Particle Abrasion vs. Hydrofluoric Acid Etching of Dental Ceramics: Impact on the Tensile Bond Strength. Materials 2024, 17, (23), 5758.

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